Das Berliner FAIRgabe-Bündnis erarbeitet Forderungspapiere, die sich an der aktuelle Situation und Gesetzeslage in Berlin orientieren.
Forderungen an den Berliner Koalitionsvertrag
Stand Oktober 2021
Das Land Berlin trägt seit 2018 die Auszeichnung „Fair Trade Town“. Der Faire Handel muss deshalb in Berlin weiter gestärkt und konsequent im Handeln der Verwaltung, aber auch in der Wirtschaftspolitik des Landes Berlin berücksichtigt werden. Zivilgesellschaftliche Akteur*innen, wie zum Beispiel das Aktionsbündnis Fairer Handel, müssen gestärkt und strukturell gefördert werden.
Die bestehende Wertgrenze von 10.000 Euro im BerlAVG ist unnötig und sollte entfallen, um vor allem bei den ganz normalen Einkäufen zum Beispiel von Kaffee und Papier, mit leicht handhabbaren Standards, die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Mindestanforderungen verpflichtend zu machen.
Langfristiges Ziel der Regierung sollte sein, die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien für alle von der öffentlichen Hand und den landeseigenen Betriebe beschafften Produkte vorzuschreiben. Dazu müssen die nötigen Strukturen geschaffen bzw. gestärkt werden.
Berlin sollte einen Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung erarbeiten und umsetzen. Das Land sollte sich auch um die stetige Ausweitung der Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien auf neue Produktgruppen (z.B. Fahrzeuge oder verschiedene Baustoffe) bemühen und Vorschriften unabhängig davon zu machen, ob ein Zertifikat vorhanden ist. Die angekündigte Verwaltungsvorschrift für fairen Handel sollte noch 2021 erlassen werden.
Für die strategische und flächendeckende Verfolgung ökologischer und sozialer Ziele in der Vergabepolitik soll die Marktmacht der öffentlichen Hand durch eine größere Bündelung der Beschaffung und Vergaben gestärkt und effektiv genutzt werden.
Zur effektiven Umsetzung der sozialen und ökologischen Anforderungen des BerlAVG wird ein regelmäßiges und verpflichtendes Schulungsangebot zur sozial verantwortlichen und umweltverträglichen Beschaffung von Verwaltungsmitarbeiter*innen eingerichtet.
Neben der öffentlichen Hand und den Wirtschaftsunternehmen kommt den zivilgesellschaftlichen und gemeinnützigen Organisationen, Vereinen und Verbänden eine zentrale Rolle beim sozial-ökologischen Umbau und der Gestaltung Berlins zu einer global gerechten Stadt zu. Als Träger*innen des bürgerschaftlichen Engagements benötigen sie eine gezielte Unterstützung beim nachhaltigen Management ihrer Aktivitäten und dem Betrieb ihrer Liegenschaften. Für ein effektives Nachhaltigkeitsmanagement bedürfen sie einer kompetenten Beratung und Unterstützung bei notwendigen Investitionen. Diese ist durch die Erweiterung der vielfältigen Förderprogramme für die Stärkung des gesellschaftlichen Engagements sicherzustellen.
Forderungen an die Berliner Vergabepolitik
Stand Juli 2020
1. Ein gutes Gesetz braucht als unterstützende politische Maßnahme einen Aktionsplan für nachhaltigen Einkauf!
Ein Aktionsplan sollte Pilotprojekte für konkrete Ausschreibungen (wie etwa Natursteine, Lebensmittel, Textilien oder Fahrzeuge) voranbringen, in denen sozial und ökologisch verantwortliche Beschaffung beispielhaft umgesetzt wird. Anhand der Piloten können Musterausschreibungen entwickelt und politische Zielvorgaben für die Erfolge eines nachhaltigen Einkaufs des Landes Berlin gemessen werden. Der Plan sollte auch von den Bezirken angenommen und unterzeichnet werden. Beispiele für einen solchen Aktionsplan finden sich u.a. in den Niederlanden und in der Stadt Rotterdam. Als konkrete Maßnahmen für einen Aktionsplan empfehlen wir:
• jährlich mindestens ein Pilotprojekt,
• Zeit- und Zielvorgaben für Produkte und Dienstleistungen aufzunehmen,
• Weiterentwicklung von Piloten, um daraus standardisierte Beschaffungsvorgänge abzuleiten, die von allen übernommen werden können,
• regelmäßiges Schulungsangebot zur sozial verantwortlichen und umweltverträglichen Beschaffung für Verwaltungsmitarbeiter*innen.
2. Eine aussagekräftige Evaluierung und der Vergabebericht dienen als Grundlage für Nachbesserungen!
Zu begrüßen ist die Zusage einer Evaluierung der Vergabeprozesse in Berlin. Um die fristgerechte Fertigstellung sowie inhaltliche Belastbarkeit der Evaluierung und des Vergabeberichts sicherzustellen, müssen die Inhalte frühzeitig festgelegt und allen relevanten Akteur*innen kommuniziert werden.
In der von der Senatsverwaltung für Wirtschaft zu erarbeitenden Rechtsverordnung zu den Einzelheiten und dem Umfang der Datenübermittlung für die Evaluierung sollten die zentralen Punkte für den Vergabebericht mitgedacht werden. Das sind neben der Einhaltung des Mindestlohns auch Daten in Bezug auf die Einhaltung sozial-ökologischer Standards. Die Kompetenzstelle und die Kontrollgruppe sind ebenfalls frühestmöglich mit einzubeziehen und zu informieren, welche Daten in den Bericht einfließen sollen.
3. Es muss sich nicht nur im Gesetz etwas ändern, sondern auch in den Strukturen der Verwaltung!
Der Berliner Senat sollte ein strategisches Konzept zur Professionalisierung und Bündelung der Kompetenzen erarbeiten, sodass die Anforderungen aus dem Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz in der Praxis umgesetzt werden können. Dies würde den Vergabestellen
die Durchführung von Vergabeverfahren erleichtern, Synergien schaffen und Kosten sparen. Gerade in Anbetracht des Anwendungsbereiches des Gesetzes auf die unmittelbare Landesverwaltung sollte ein solcher Ansatz zumindest für diese verfolgt werden.
Eine Bündelung kann in Form von verstärkten Kooperationen auf Bezirks- oder Landesebene (zum Beispiel durch eine Stärkung des Landesverwaltungsamtes) stattfinden oder über die Bündelung bestimmter Produktgruppen wie in Hamburg oder Bremen. Eine weitere Möglichkeit, mit der in Mainz gute Erfahrungen gemacht werden, ist die Erstellung eines zentralen elektronischen Einkaufskatalogs für alle Vergabestellen, in dem ökologische und soziale Kriterien Berücksichtigung finden.
4. Neben Tariftreue und Mindeststundenentgelt als wichtiges Signal gegen Tarifflucht braucht es einen besseren Schutz der Beschäftigten im ÖPNV!
Mit der bisher bundesweit weitgehendsten Umsetzung der neuen EU-Entsenderichtlinie zur Wiedereinführung der Tariftreue (§ 9) hat das Land Berlin einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Tarifbindung unternommen. Der Vorrang der Tarifbindung wird zudem unterstützt durch die Anhebung des Mindestentgelts auf 12,50€/Stunde, die Orientierung der Mindestentgelthöhe an der Einstiegsstufe des für den Öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrags und das Günstigkeitsprinzip.
Was fehlt, ist eine gesetzliche Regelung zur Anpassung von Tarif- und Mindestentgelterhöhungen in laufenden Vergaben. Diese ist im Gesetz bisher nur für den ÖPNV (§ 10) vorgesehen. Eine verbindliche Regelung (Lohngleitklausel wie u.a. in Brandenburg) in den Ausführungsbestimmungen ist daher dringend erforderlich.
Zudem hat es das Land Berlin bei der Reform des Vergabegesetzes erneut versäumt, bei der Vergabe von ÖPNV-Leistungen verbindliche Vorgaben für den Personalübergang festzulegen. Mit einer Regelung wie im Landestariftreuegesetzes (LTTG) in Rheinland-Pfalz wäre der Schutz der Beschäftigten gegen Lohn- und Sozialdumping bei einem Betreiberwechsel deutlich besser gewährleistet.
5. Bei der Beschaffung von Produkten mit leicht anwendbaren Umwelt- und Sozialstandards sind hohe Schwellenwerte unnötig!
Für viele Beschaffungsvorgänge, die in der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) und in der Verwaltungsvorschrift zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen definiert werden, ist eine Wertgrenze unnötig. Mit der VwVBU liegen für relevante Produkte und Produktgruppen leicht handhabbare Standards (Blauer Engel & Co.) und Leistungsblätter vor. Die Beschaffung von Standardprodukten, wie Papier oder Kaffee, liegt häufig unter einem Wert vom 10.000 Euro. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat diesen Schwellenwert im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung beispielsweise auf 500 Euro herabgesetzt. Eine Nicht-Beachtung der definierten Umwelt- und Sozialstandards gerade bei den ganz normalen Einkäufen der Verwaltung wäre angesichts der Klima-, Umwelt- und Zero Waste-Ziele Berlins absurd!
6. Der Faire Handel muss auch in der Beschaffungspraxis handhabbar werden!
Das Land Berlin trägt seit 2018 die Auszeichnung “Fair Trade Town”, aber die politische Zielsetzung zur Stärkung des Fairen Handels wurde bislang nur vereinzelt in konkretes Verwaltungshandeln umgesetzt. Im Rahmen der Novellierung des Vergabegesetzes hat Berlin festgeschrieben, die Kriterien des Fairen Handels im Rahmen der Beschaffung zu fördern (§11 BerAVG). Die angekündigte Verwaltungsvorschrift, die eine praktische Umsetzung erst ermöglicht, muss zeitnah erlassen werden
Forderungen an die Berliner Vergabepolitik
Stand August 2019
Aktuell wird das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz novelliert. Wir haben aus diesem Anlass Kernforderungen für die Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen und weiterer sozialer Kriterien in einem novellierten Gesetz formuliert. Lesen Sie hier das Papier mit unseren Kernforderungen für die Ausgestaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und weiterer sozialer Kriterien – 2018
Im Rahmen der Novellierung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes erachtet das Berliner FAIRgabe-Bündnis zudem zwei begleitende Maßnahmen zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben als dringend notwendig und fordert deren Berücksichtigung im Doppelhaushalt 2020/2021: die Einrichtung einer Kompetenzstelle und die Erstellung eines Aktionsplans für umweltfreundliche und sozial verantwortliche Beschaffung. Lesen Sie dazu mehr in unserem Forderungspapier von August 2019.